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Seminararbeit

im

Interdisziplinären Seminar

der Studienfächer Ethik und Neuere Geschichte

 

 

 

Thema der Seminararbeit

 

 

 

Die FDJ und ihr Platz innerhalb der DDR

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorgelegt von Klaus Lichtenfeld

Matrikelnummer 666010

bei Prof.in Dr. Merith Niehuss und Prof. Dr. Hans Jürgen Brandt

Abgabe am 01.Dezember 1998

 

 

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Konzeption der Staatsjugend im Exil

3 Ideologischer Aufbau der FDJ

4 Die Aufgaben der FDJ

5 Die FDJ und die Jugend der DDR

6 Schlußbemerkungen

Literaturverzeichnis

 

 

 

Abkürzungsverzeichnis

 

BRD Bundesrepublik Deutschland

CDU Christlich Demokratische Union

DDR Deutsche Demokratische Republik

FDJ Freie Deutsche Jugend

HJ Hitlerjugend

Komintern Kommunistische Internationale

KPD Kommunistische Partei Deutschlands

LDP Liberaldemokratische Partei

SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

SBZ Sowjetisch besetzte Zone

SMAD Sowjetische Militäradministration in Deutschland

SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands

 

  1. Einleitung
  2.  

    Diese Seminararbeit hat das Ziel, die Rolle der Freien Deutschen Jugend (FDJ) innerhalb der Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zu beleuchten. Es soll weniger um die Bearbeitung ihrer Geschichte und ihrer Organisationsstruktur gehen, als um den ideologischen Unterbau der Organisation, die Aufgaben und Ziele und um das Ansehen der FDJ innerhalb ihrer Mitglieder und der gesamten Gesellschaft der DDR.

    Die Aufarbeitung der DDR-Geschichte hat gerade erst begonnen. Die Geschichte der FDJ, sowie deren ideologischer Aufbau und deren Ziele, bilden nur einen kleinen Teil innerhalb dieser Gesamtbetrachtung. Dennoch eröffnet die Aufarbeitung der FDJ einen Einblick in die Verfahrensabläufe der politischen Entscheidungsprozesse in der DDR.

    Für die Erstellung der Seminararbeit sind die Arbeiten von Ulrich Mählert von entscheidender Bedeutung. Des weiteren stehen dieser Ausarbeitung Texte aus der Zeit der DDR zur Verfügung.

     

  3. Die Konzeption der Staatsjugend im Exil
  4.  

    Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 begann die systematische Verfolgung der politischen Gegner des Regimes. Zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft rekrutierten die Gegner sich vor allem aus den Anhängern der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Dieser Personenkreis hatte nicht viele Handlungsalternativen zur Auswahl. Für sie gab es nur die Entscheidung zwischen dem Verbleiben im Reichsgebiet mit allen Konsequenzen, der inneren Emigration, oder der Emigration ins Ausland. Letztere sind bei der Betrachtung der Geschichte der FDJ von besonderer Bedeutung. Hier ist vor allem die Gruppe um Walter Ulbricht zu nennen, die für die Gründung und den staatlichen Aufbau der DDR nach der Beendigung des II. Weltkrieges Verantwortung zeigen sollte.

    Als Reaktion auf die Machtübernahme der faschistischen Bewegungen um Mussolini in Italien, Franco in Spanien und der Nationalsozialisten im Deutschen Reich, kam es innerhalb der kommunistischen Bewegung zu einer Neubewertung der politischen Lage. Auf dem VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale (Komintern) 1935 in Moskau manifestierte sich diese Neubewertung in der Einschätzung, daß nun nicht mehr die Sozialdemokratie der Hauptfeind des Kommunismus sei. Vielmehr komme es darauf an, mit allen Gegnern des Faschismus zusammenzuarbeiten, um selbigen zurückzudrängen. Dieser neue Kurs fand auch in der kommunistischen Jugendpolitik seinen Ausdruck. In der Zukunft sollten alle Jugendverbände der Partei

     

    "... in jeder Weise die Vereinigung der Kräfte aller nichtfaschistischen Massenorganisationen der Jugend anstreben, bis [hin] zur Bildung verschiedener gemeinsamer Organisationen."

     

    Der dort vertretenen Linie schlossen sich die Vertreter der Exil-KPD an. Allerdings sollte die Zusammenarbeit mit anderen antifaschistischen, nichtkommunistischen Gruppen nicht den Führungsanspruch der Partei auf ihre Jugendorganisation beeinträchtigen. Dieses, in seinem gedanklichen Aufbau ambivalentes, Credo kann als Grundlage für den Neuaufbau der politisch motivierten Jugendarbeit in der Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) nach der Kapitulation der Wehrmacht am 7. und 9.Mai 1945 gelten. Nach der Rückkehr der Exilanten um Ulbricht begann die KPD unter der Protektion der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) mit der Umsetzung des in Moskau erarbeiteten und von Moskau geleitetem Umgestaltungsprogramm für die SBZ. Für die Errichtung eines Jugendverbandes in der von der Exil-KPD auf der Brüsseler Konferenz im Jahre 1935 gewünschten Form, war der 31.Juli 1945 von großer Bedeutung. An diesem Tag ordnete die SMAD per Dekret die Schaffung von "antifaschistischen Jugendkomitees" an. Gleichzeitig verbot sie jede andere Organisation, deren Zielsetzung auf die Betreuung von Jugendlichen zielte.

    Mit diesem Erlaß war der administrative Grundstein für den Aufbau und die Gründung der FDJ am 26.Februar 1946 gelegt.

     

     

     

     

    Thesen zur Konzeption der Jugendpolitik durch die Exil-KPD:

    Die Konzentration aller Kräfte auf die Zerschlagung des Nationalsozialismus war die Grundlage aller Exilplanungen der deutschen Kommunisten.

    Die Abhängigkeit der KPD von den Vorgaben des Kreml kristallisierte sich bereits in der Phase des Exils heraus.

     

  5. Ideologischer Aufbau der FDJ

 

Mit dem Dekret der SMAD vom 7.März 1946 begann der eigentliche Aufbau der Organisation. Die Konzeption der Jugendarbeit sah vor, zusammen mit allen antifaschistischen Kräften eine "Einheitsfront" gegen Faschismus und Nationalsozialismus zu bilden. Dieses Konzept beruhte aber auf einer entscheidenden Prämisse, nämlich der Existenz faschistischer und nationalsozialistischer Bewegungen. Bis in den Mai 1945 hinein waren diese Systeme mehr oder weniger fest installiert gewesen. Die kommunistische Bewegung konnte ihr Konzept daher gar nicht durchführen; diese Forderungen waren lediglich in ihrer Papierform durchführbar. Mit der Kapitulation der Wehrmacht änderte sich dieses Verhältnis schlagartig. Mit einem mal war der politische Gegner vollständig von der Bühne verschwunden, oder doch zumindest untergetaucht. Damit war die Prämisse kommunistischer Politik, und hier auch der Jugendpolitik, nicht mehr relevant. Wenn aber die Voraussetzung, also die notwendige Bedingung, für ein bestimmtes Verhalten nicht mehr existent ist, dann wird es ganz automatisch zu einer Neubewertung der Lage kommen. Genau dieser Fall war in der SBZ eingetreten. Die Gruppe der Exilanten um Walter Ulbricht fand im Mai 1945 ein Deutschland vor, indem, hervorgerufen durch die Agonie des verlorenen Krieges und der Besetzung des eigenen Staatsgebiets durch den Feind, die Bevölkerung nicht willens oder in der Lage schien, sich aktiv um die Neugestaltung der Politik zu kümmern. Hinzu kam noch die Tatsache, daß mit der SMAD ein äußerst effektives Verwaltungs- und Steuerungsorgan vorhanden war. Die SMAD als Vertreterin des neuen Hegemon Sowjetunion stand der Umgestaltung und dem Neuaufbau der SBZ zu einem sozialistischen Staat nicht im Wege. Ohne die Hilfe der SMAD wäre es den deutschen Exilkommunisten nicht gelungen, ihre, mit der Führung in Moskau abgestimmten, Ziele zu verwirklichen. Diese Kombination von desillusionierter Bevölkerung und einem straff organisierten und leistungsfähigen Organ der Besatzungsmacht machte es der KPD und später der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) überhaupt erst möglich, den Staatsaufbau mit einer solchen Vehemenz durchzuführen.

Kennzeichnend für die Jugendarbeit ist die Tatsache der zunehmenden Zurückdrängung nichtkommunistischer Einflüsse in der FDJ. Auf dem I.Parlament der FDJ Pfingsten 1946 in Brandenburg an der Havel wurde von Seiten Erich Honeckers die Losung für alle Mitglieder und Funktionäre ausgegeben, daß es

 

"... die Verpflichtung [sei] den überparteilichen Charakter unserer Organisation wie unseren eigenen Augapfel zu hüten".

 

In den Anfangsjahren der FDJ waren die Grundzüge der Brüsseler Konferenz von 1935 noch erkennbar, indem etwa

 

"... die politische Aufgeschlossenheit und jugendliche Kampfbereitschaft, die sich von den Burschenschaften bis zum kommunistischen Jugendverband erhalten hat mit dem naturverbundenen Leben der Wandervogelgruppen und der christlichen Toleranz der konfessionellen Verbände (Quickborn) zu einer einheitlichen, freien, die gesamtdeutsche Jugend umfassende Jugendorganisation..."

 

zu verbinden gefordert wurde. Allerdings waren diese Forderungen bereits bei ihrer Verkündung nur hohle Phrasen, da die Führung der KPD und die SMAD hatten die gesamte Planungsphase ohne Mitwirken anderer gesellschaftlicher Gruppen, wie zum Beispiel den beiden großen Kirchen und der bürgerlichen Parteien (Christlich Demokratische Union, CDU und Liberaldemokratische Partei, LDP), durchgeführt. Lediglich den Kirchen gelang es ihre eigenen jugendpolitischen Zielvorstellungen wenigstens bis 1953 aus der FDJ herauszuhalten. Den kommunistischen Kräften war es gelungen, in den Leitungsgremien der FDJ an der Spitze zu stehen, so daß nun auch der formelle Umbau der Organisation begann. In enger Zusammenarbeit mit der SMAD und der sowjetischen politischen Polizei, die sich der unliebsamen Kritiker annahm, war dieser Umbau formal mit dem III. Parlament im Juni 1949 der FDJ abgeschlossen. Dies zeigte sich vor allem in der Annahme des Prinzips des "Demokratischen Zentralismus". Diese Organisationsform, die für kommunistische Verbände immer gleich war, sah vor, daß alle von oberen Leitungsgremien gefällten Entscheidungen für den gesamten untergeordneten Bereich kritiklos bindend waren. Damit wurde eine Grundbedingung für die Umwandlung der FDJ in eine Massenorganisation der SED geschaffen. Dieser Transformationsprozeß kennzeichnete alle großen und größeren Verbände innerhalb der DDR. Der Umbau der FDJ zu einer gleichgeschalteten, der Partei treu ergebenen, Massenorganisation, läßt sich am Beispiel des Personenkults um Josef Stalin verdeutlichen. Ab den frühen 1950’er Jahren setzte in der FDJ die Verherrlichung Stalins als "Übervater" ein. Die Parlamente der FDJ glichen immer mehr reinen Akklamationsveranstaltungen mit völlig durchorganisiertem Tagesordnung. Dies fand auf dem IV. Parlament der FDJ am 27.Mai 1952 seinen Höhepunkt, Auf diesem Treffen verabschiedeten die Delegierten einen neue "Verfassung der FDJ". Dieses Grundsatzprogram legte zwei entscheidend neue Gesichtspunkte fest.

  1. Die FDJ ist eine rein sozialistische Jugendorganisation und anerkennt die führende Rolle der Sowjetunion.
  2. Die FDJ ordnet sich der SED voll und ganz unter.

Der zweite Punkt ist der entscheidende, weil mit der Verabschiedung dieser "Verfassung" war die Umwandlung der FDJ in eine Massenorganisation unter Führung der SED formal abgeschlossen. Für die Bearbeitung des ideologischen Aufbaus der FDJ ist dieser 27.Mai 1952 gleichzeitig der Schlußpunkt, denn ab diesem Tag änderte sich an diesem Aufbau nur wenig. Der Personenkult um den "... de[n] beste[n] Freund des deutschen Volkes und der deutschen Jugend, de[n] große[n] Stalin ..." fiel weg, doch das Grundprinzip der Unterordnung unter die SED sollte das entscheidende charakterliche Merkmal der FDJ bis ins Jahr 1990 hinein bleiben.

 

 

 

These zum ideologischen Aufbau der FDJ:

Die starre Ausrichtung auf die SED verbaute der FDJ die Möglichkeit eigene Positionen in der Jugendfrage zu vertreten. Dadurch war sie von Anfang an zum Scheitern verurteilt, da sie nie in der Lage sein konnte, flexibel und eigenverantwortlich zu agieren.

 

  1. Die Aufgaben der FDJ
  2.  

    "Die FDJ ist aktiver Helfer und Kampfreserve der SED."

     

    In den ersten Jahren des Bestehens der FDJ war die Ziel- und Zweckbestimmung der Organisation noch nicht klar herausgearbeitet. Vornehmlich ging es um den Wiederaufbau der Jugendarbeit. Mit der Gründung der DDR am 7.Oktober 1949 vollzog sich ein qualitativer Wandel. Spätestens ab 1952 war aus der "überparteilich" organisierten Vereinigung der Jugendlichen Deutschlands eine Massenorganisation der SED geworden. Wie in allen gesellschaftlichen Organisationen besaß die Partei das eigentliche Gewaltmonopol in der Spitze der jeweiligen Führung. Die SED nutzte die Position aus, um alle Gruppierungen, Interessenverbände und Vereinigungen für sich zu instrumentalisieren. Eine eigene Zielverfolgung war der FDJ dadurch überhaupt nicht möglich. Die Staats- und Parteiführung gab die jeweiligen Ziele vor. Für die FDJ bestand der Hauptauftrag in der Erziehung der Jugendlichen des eigenen Herrschaftsbereichs zu loyalen Bewohnern desselben. Zu diesem Auftrag kamen aber im Laufe der Zeit noch einige hinzu, von denen hier nur zwei genauer erläutert werden sollen.

    Als erstes sei hier die Personalpolitik der FDJ genannt. Gerade in der Anfangszeit der DDR stand der junge Staat vor einem großen Problem: Woher sollten die vielen benötigten Funktionsträger kommen, die für den Aufbau des Sozialismus benötigt wurden?

    Hier wurde der FDJ nach dem Willen der Machthaber eine entscheidende Rolle übertragen. Die Jugendorganisation wurde zum Personalpool des Staates. Aus ihr kam der sozialistisch geschulte Führungsnachwuchs für Partei, Staat, Wirtschaft und ab 1952 auch für Polizei und Militär.

    Die Umsetzung des Ziels erwies sich in der Praxis als nicht praktikabel im Hinblick auf die Qualität der neuen Funktionäre. In allererster Linie lag dies an der hohen Bedarfszahl. In der Zeit vom Frühjahr 1948 bis zum Frühsommer 1949 waren aus den Reihen der FDJ bereits "... über 3000 bewährte Funktionäre ..." in die Wahrnehmung von Ämtern anderer gesellschaftlicher Organisationen aufgerückt. Wie es die FDJ geschafft hat innerhalb eines Jahres so viele Hitlerjungen zu überzeugten Sozialisten und fähigen Verwaltungsfachleuten zu machen, wird wohl auf ewig ihr Geheimnis bleiben. Jedenfalls befriedigte die FDJ den Bedarf der Partei so gut sie konnte. Sie tat dies auf Kosten der Qualität der neuen "Kader". Diese Praxis sorgte innerhalb kurzer Zeit für große Probleme innerhalb der FDJ. Da sie viele fähige Personen an andere Organisationen abgab, blieben ihr für den Aufbau und die Planung der eigenen Jugendarbeit keine, oder eben nicht genügend, Führungskräfte.

     

    Der zweite Hauptauftrag der FDJ lag in der Erziehungsarbeit.

     

    "Die FDJ erzieht ihre Mitglieder dazu, sich den Marxismus-Leninismus, die Weltanschauung der Arbeiterklasse, zu eigen zu machen, standhaft die Politik der SED zu vertreten und in jeder Situation klassenbewußt zu handeln."

     

    Dieses Erziehungsziel hat die FDJ nie komplett verwirklichen können, denn sie war viel zu sehr den sich ständig ändernden Launen und Vorgaben aus dem Politbüro ausgesetzt. Außerdem gelang es der FDJ nicht, die Kluft zwischen den Interessen der Jugendlichen der DDR und den Interessen der SED zu überwinden. Diese Ziele waren einfach zu verschieden. Die Partei wollte den konformen Staatsbürger, der ständig seine bedingungslose Loyalität zum Staat zu beweisen hatte. Damit stand sie in völligem Gegensatz zu den Jugendlichen. Deren Vorstellungen von Jugendarbeit zielten vielmehr auf unpolitische Aktivitäten. Damit standen sie aber nicht etwa in direkter Opposition zur SED und zur DDR als "ihrem" Staat. Da sich die FDJ in ihrer "Verfassung" von 1952 der Partei untergeordnet hatte, mußte sie die Interessen der SED durchsetzen. Vielen Funktionären war die Diskrepanz zwischen dem Anspruch der FDJ das Organ für die "... Verkörperung der politischen Einheit der jungen Generation..." zu sein, gleichzeitig aber einen großen Teil der Jugend nicht zu erreichen, durchaus bewußt. Dies aber hatte keine Konsequenzen auf die Gestaltung der Politik.

     

    Thesen zu den Aufgaben der FDJ:

    Die FDJ versperrte sich durch die Abgabe von Führungskräften die Möglichkeit eine, im Rahmen der SED sicherlich kleine, aber dennoch effektivere, Jugendarbeit zu organisieren.

    Ihre völlige Unterwerfung unter die SED machte aus der FDJ eine unbewegliche Organisation, die den Kontakt zu einem Großteil der Jugend bereits schon sehr früh verloren hatte und nie wiedergewinnen konnte.

     

  3. Die FDJ und die Jugend der DDR
  4.  

    Mit dem Einmarsch der US-Armee und der Roten Armee zerbrach das "Dritte Reich" Anfang Mai 1945 auch in Mitteldeutschland. Für die Bewohner dieser Gebiete waren damit sämtliche Hoffnungen auf einen militärischen Entsatz oder gar den Endsieg endgültig zerborsten. Es begann die Phase der Besatzung. Diese Zeit ging mit dem Program der Entnazifizierung einher. Nachdem sich die Amerikaner, zugunsten einer Beteiligung der westlichen Alliierten Großbritannien, Frankreich und der USA an der Besetzung Berlins, aus den bereits besetzten Gebieten der späteren DDR zurückgezogen hatten, konnte mit dem Aufbau des ersten sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaats auf deutschem Boden begonnen werden. Die Eckpfeiler dieser Maßnahmen waren bereits im Exil in der Sowjetunion gelegt worden. Die Handlungsweisen beim Aufbau der FDJ sind oben erläutert worden. Für die Analyse fehlt aber noch ein Blick auf die Menschen, die durch den Aufbau der FDJ unmittelbar betroffen waren. In diesem Abschnitt geht es um die "real existierende Jugend" der DDR. Und es geht um ihre Reaktion auf die Angebote der FDJ.

    Im Rahmen der Entnazifizierung der Gesellschaft wurde die Jugend mit den Verbrechen des alten Regimes konfrontiert. Photographien aus den Konzentrationslagern hingen an öffentlichen Plätzen, so daß viele Jugendliche nun die andere Seite des NS-Regimes zu sehen bekamen. Gleichzeitig war in Deutschland auch ein Bruch innerhalb der Gesellschaft zu erkennen. Die alte Ordnung war zerstört und den neuen Machthabern, den alten Feinden, wurde mit Mißtrauen oder zumindest mit Zurückhaltung begegnet. Für die Jugend, die ja fast komplett in der Hitlerjugend (HJ) organisiert war, kam noch ein entscheidender Punkt hinzu. Das Regime der nationalsozialistischen Herrschaft war das einzige ihnen bekannte Regierungssystem. Für den Großteil der Jugend gab es keine Alternativmöglichkeiten. Hinzu kam noch die Tatsache, daß es nur sehr wenige Männer gab. Dadurch fehlte vor allem den männlichen Jugendlichen die Leitfigur. Die FDJ stieß hier in eine Nische vor, denn sie gab vielen Jugendlichen eine neue Perspektive.

     

    "...Das ehemalige HJ-Heim ist geheizt. Dort singen sie Volkslieder, nennen sich Freunde der Jugend. Dort meckert kein Erwachsener, niemand befiehlt. Jungen und Mädchen unter sich. Da kannste mal offen reden."

     

    Für viele Jugendliche waren die Veranstaltungen der FDJ eine willkommene Abwechslung vom Alltag, der geprägt war von Hunger und Elend. Außerdem hatte sich die FDJ kurz nach ihrer Gründung als eine "überparteiliche" Organisation dargestellt. Von den geplanten Fernzielen der Institution FDJ konnten die "Teenager" der Zeit nichts wissen. Daneben gibt es noch einen weiteren Gesichtspunkt, der für die Erklärung der anfänglich hohen Zuwachsraten der Mitgliederzahlen von Bedeutung ist. In den letzten Kriegsmonaten wurden, bedingt durch den Mangel an älteren Menschen und hier vor allem der Männer, viele Mitglieder der HJ zur Verteidigung des Reichsgebiets eingesetzt. Hierbei wurden die Jugendlichen oft für, in ihren Augen verantwortungsvolle, Tätigkeiten eingesetzt (Einsatz als Flakhelfer). Mit dem Ende des Krieges endeten diese Aufgaben. Neben die Erkenntnis, daß ihre Opfer umsonst waren, trat nun auch noch das Gefühl des "Nichtmehrgebrauchtwerdens" hinzu. In diese Lücke stieß die FDJ Sie bot den Jugendlichen wieder Positionen an, in denen sie sich, unabhängig von ihrer Vorgeschichte, selbst bestätigen konnten.

    Als dritte und letzte Erklärung für die hohen Mitgliederzahlen der Anfangszeit ist hier der oben geschilderte Personalbedarf des jungen Staates genannt. Diesen Bedarf ergänzte die DDR aus den Reihen der FDJ. Eine Mitgliedschaft in der FDJ bot also Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs. Von der SED war es so geplant, denn dadurch sollten loyale Führungskräfte gewonnen werden.

    Dennoch war die FDJ nicht in der Lage, die hohen Flüchtlingszahlen in den Westen zu mindern. Am 17.Juni 1953 wurde die Unfähigkeit der gleichgeschalteten Massenorganisation in aller Schärfe deutlich. Der an diesem Tag begonnene Aufstand wurde an vielen Orten von eben den Jugendlichen getragen, die nach Aussage der FDJ "... fest in den Reihen des Sozialismus ..." standen. Die Mängel der FDJ faßte Otto Grotewohl am 27.10.1953 in folgende Worte:

     

    "Für die Mehrzahl der Jugendlichen in der Deutschen Demokratischen Republik ist die Zugehörigkeit zur Freien Deutschen Jugend keine Herzenssache. [...] Der Apparat der Freien Deutschen Jugend ist steif, träge und verbürokratisiert. [...] Das Jugendleben in der FDJ ist für die Mehrheit der Jugendlichen kein Anziehungspunkt, hat keine Zugkraft."

     

    Ein weiteres Phänomen der FDJ war es, jede Kritik, so sachlich richtig sie auch gewesen sein mag, abzulehnen und nichts zu unternehmen, um offenkundige Mängel abzustellen. Für die Mehrheit der Jugendlichen der DDR entwickelte sich ihre Jugendorganisation zu einem reinen Zwangsapparat, der durchlaufen werden mußte, um im Leben voranzukommen.

    Diese innere Unverbundenheit mit dem eigenen Staat zeigte sich wieder in der Zeit des Umbruchs 1987-1990. Die, durch die Politik von Michail Gorbatschow eingeleiteten, Reformen innerhalb des sowjetischen Hegemonialbereichs hatten auch auf die DDR, und hier vor allem auf die Jugend, große Auswirkungen. Die SED-Führung um Erich Honecker versuchte diesen Reformbestrebungen einen Riegel vorzuschieben. Wie schon im Juni 1953 konnte die Staatsführung aber nicht auf die Hilfe "ihrer" Jugend hoffen, denn die hatte sie schon längst anders orientiert.

     

     

    Thesen zur FDJ und der Jugend der DDR:

    Die FDJ hatte wenn überhaupt dann nur zu Beginn einen starken Rückhalt innerhalb der Jugend der DDR.

    Die FDJ wurde nur als das "notwendige Vehikel" zum Vorankommen in der DDR angesehen.

     

  5. Schlußbemerkungen

 

Die Geschichte der FDJ ist von einem ständigen Widerspruch geprägt. Auf der einen Seite stand das Verlangen die einzige und voll akzeptierte Jugendorganisation zu sein, und auf der anderen Seite existierte die stille Verweigerungshaltung vieler ihrer Mitglieder. Dieses Mißverhältnis von theoretischem Anspruch und praktisch vorhandenem Widerwillen zieht sich wie ein roter Faden durch die Betrachtung der Organisation. Die FDJ stand immer im Schatten der SED. Dies war von Anfang an so geplant und wurde auch bis zum Ende der Partei und des Staates konsequent durchgehalten.

Außerdem existierte während der gesamten Phase ihres Bestehens ein, in den Augen der DDR-Jugend, ungleich erfolgreicheres gesellschaftliches Modell: die Bundesrepublik Deutschland. Gegen ihre Präsenz konnte die FDJ nicht konkurrieren. Ihre Konzepte und Vorstellungen für die Gestaltung der politischen und gesellschaftlichen Zukunft erreichten die Mitglieder nicht mehr. Allerdings ist nicht nur die Bundesrepublik Deutschland "schuld" am Untergang der FDJ und der DDR. Vielmehr war die Reformunfähigkeit und die Unwilligkeit zu Veränderungen das entscheidende Moment für den Sturz der FDJ. "Wer die Jugend hat, hat die Zukunft." Am Beispiel der FDJ zeigt sich aber, daß dies für die DDR nicht galt. Dies ist ein weiterer Grund für ihren Untergang.

 

Literaturverzeichnis

 

Matthias Judt (Hrsg.): DDR-Geschichte in Dokumenten, Bonn (Bundeszentrale für politische Bildung Schriftenreihe Band 350) 1998.

 

Ulrich Mählert, Gerd-Rüdiger Stephan: Blaue Hemden Rote Fahnen - Die Geschichte der Freien Deutschen Jugend, Opladen (Leske+Budrich) 1996.

 

Ulrich Mählert: Die gesamte junge Generation für den Sozialismus begeistern - Zur Geschichte der Freien Deutschen Jugend, in: Jürgen Weber (Hrsg.): Der SED-Staat: Neues über eine vergangene Diktatur, München (Olzog) 1994, S.73-98.

 

Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR Potsdam-Babelsberg (Hrsg.): Handbuch der gesellschaftlichen Organisationen in der DDR, Berlin (Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik) 1985.

 

Hanns-Peter Herz: Freie Deutsche Jugend, München (Juventa) 1965.